
Leitfaden zu Krypto-Krediten
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Langfristig zu investieren wird oft als sinnvolle Strategie angesehen, aber was passiert, wenn ein Krypto-Anleger unerwartet Zugang zu Geldmitteln benötigt? Geld aus den Märkten abzuziehen, kann – insbesondere während einer Hausse – eine unkluge Entscheidung sein und auch zu einer Steuerpflicht führen. In diesem Artikel wird erklärt, warum Krypto-Kredite eine alternative Liquiditätsquelle für Anleger darstellen.
DeFi-Kredite
Kreditprotokolle des dezentralen Finanzwesens (DeFi) erleichtern die Kreditvergabe mithilfe von Smart Contracts – Programmen, die auf der Blockchain-Technologie laufen und automatisch ausgeführt werden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Nutzer hinterlegen Gelder in Smart Contracts, um „Kreditpools“ zu erstellen, auf die Kreditnehmer zugreifen können, sobald sie Sicherheiten hinterlegt haben. Diese Sicherheiten müssen in Form von Krypto gestellt werden, die ebenfalls in einem Smart Contract festgelegt sind. In den meisten Fällen müssen die Kredite überbesichert sein, d. h. die Sicherheiten sind mehr wert als der geliehene Betrag.
Um die Höhe des Kredits zu bestimmen, wird im Protokoll ein Beleihungsauslauf (Loan to Value, LTV) festgelegt, der den Kredit in Prozent der Sicherheiten ausdrückt. Ein LTV von 66 % bedeutet, dass ein Kreditnehmer 150 USD an Sicherheiten hinterlegen muss, um Zugang zu 100 USD Krypto zu erhalten. Hochwertige Coins wie Bitcoin oder Ether erhöhen den LTV.
Das Protokoll legt die Zinssätze auf Grundlage von Angebot und Nachfrage mithilfe eines in einem Smart Contract programmierten Algorithmus fest. Wenn die Nachfrage nach Krediten das Angebot übersteigt, steigt der Zinssatz und umgekehrt. Alternativ kann auch die Governance-Community eines Kreditgebers den Zinssatz festlegen.
Ein wesentlicher Vorteil der Kreditaufnahme gegen Kryptobestände ist, dass Anleger auf Liquidity zugreifen können, ohne ihre Bestände verkaufen zu müssen. Flash-Kredite, eine DeFi-Innovation, werden beispielsweise sofort vergeben (Ausgabe und Rückzahlung in einer einzigen Transaktion) und ermöglichen es Kreditnehmern, von Arbitragemöglichkeiten zu profitieren, d. h. vom Kauf und Verkauf desselben Vermögenswerts, wenn dieser auf zwei Märkten unterschiedlich bewertet wird.
Das größte Risiko für Kreditnehmer ist die Volatilität von Krypto. Fällt der Wert ihrer Sicherheiten unter die Beleihungsgrenze, kann das Protokoll den Kredit automatisch liquidieren, was zu Verlusten führt. Außerdem kann es schwierig sein, einen Kredit zurückzuzahlen, wenn der Wert des geliehenen Tokens steigt.
Aave (33 Mrd. USD, Stand: Juli 2025) ist der größte DeFi-Kreditgeber gemessen am Total Value Locked, einer Kennzahl, mit der die Höhe der von Nutzern in einem Protokoll hinterlegten Gelder gemessen wird.
Auch andere Protokolle sind auf dem Vormarsch, wie z. B. Morpho, das die On-Chain-Kreditvergabe ermöglicht. Mehrere DeFi-Produkte – und sogar die zentrale Exchange Coinbase – nutzen dieses Protokoll für ihre Kreditangebote.
CeFi-Kredite
Während Kreditprotokolle des zentralen Finanzwesens (CeFi) im Grunde genommen genauso funktionieren wie die DeFi-Version, gibt es einige wichtige Unterschiede.
Einer der Hauptvorteile von CeFi-Protokollen ist die Benutzerfreundlichkeit: Sie bieten im Gegensatz zu DeFi-Schnittstellen, die die Verknüpfung eines digitalen Wallets erfordern, ein ähnliches Nutzererlebnis wie Apps des traditionellen Finanzwesens (TradFi). Auch wenn Dezentralisierung ein Kernprinzip der Blockchain ist, könnte diese Ähnlichkeit die Akzeptanz fördern.
CeFi-Protokolle sind allerdings anfälliger für einzelne Ausfallpunkte. Celsius Network meldete im Juli 2022 Insolvenz an, nachdem der Zusammenbruch des Stablecoins von Terra und seines Schwester-Tokens Luna zu einem Bear Market und einem Ansturm auf die Plattform geführt hatte. Ein Kreditnehmer, der Krypto-Hedgefonds Three Arrows Capital, ist mit einem 75-Millionen-Dollar-Kredit in Verzug geraten.
Eines der beliebtesten CeFi-Kreditprotokolle ist Nexo, das 2018 an den Start ging. Nexo legt seine Zinssätze auf Grundlage verschiedener Loyalitätsstufen fest – Platin-Mitglieder können einen Kredit zu 2,9 % aufnehmen, wenn sie ihren LTV unter 20 % halten.
TradFi-Kredite
Lombardkredite, die nach einer italienischen Region mit einer traditionsreichen Bankengeschichte benannt sind, ermöglichen es Kreditnehmern, ihr Anlageportfolio – einschließlich Exchange-Traded Funds (ETFs) – als Sicherheit zu verwenden.
Die Zinssätze für Lombardkredite sind in der Regel niedriger als die üblichen Bankkreditzinsen, da die Sicherheiten sehr liquide sind. Die Kreditgeber verlangen in der Regel einen Basiszinssatz der Zentralbank zuzüglich einer Marge. Außerdem spielt der Beleihungsauslauf (Loan to Value, LTV) bei der Festlegung der Konditionen eine entscheidende Rolle. Volatilere Anlagen, wie z. B. Vermögenswerte, erfordern ein größeres Polster und führen zu einem niedrigeren LTV.
Die Vorteile und Risiken der Lombardkredite decken sich mit denen der DeFi- und CeFi-Kredite. Sie ermöglichen es vermögenden Privatpersonen, Liquidity freizusetzen, ohne Vermögenswerte zu veräußern. Wenn der Wert der Sicherheiten allerdings unter den vereinbarten Beleihungsauslauf fällt, kann der Kreditgeber eine Nachschussforderung stellen oder die Verwertung der Sicherheiten veranlassen.
Mehrere Finanzinstitute akzeptieren bereits Krypto-Vermögenswerte als Sicherheiten. Swissquote und die Sygnum Bank in der Schweiz ermöglichen es ihren Kunden beispielsweise, gängige Krypto wie Bitcoin und Ether für Lombardkredite einzusetzen. Sygnum akzeptiert auch bestimmte Krypto-ETPs und -ETFs als Sicherheiten und schließt damit die Lücke zwischen digitalen Vermögenswerten und der traditionellen Vermögensverwaltung.
In der Zwischenzeit testen traditionelle Institutionen wie State Street die künftige Verwendung von tokenisierten Finanzinstrumenten wie Blockchain-basierten Anleihen und Geldmarktfonds als Teil des Sicherheitenangebotes.
Zusammenfassung
Krypto-Kredite bieten Anlegern eine Möglichkeit, auf Liquidity zuzugreifen, ohne ihre digitalen Vermögenswerte verkaufen zu müssen – sei es über dezentrale Protokolle, zentrale Plattformen oder traditionelle Finanzinstitute. Jedes Modell hat seine ganz eigenen Strukturen, Vorteile und Risiken.
DeFi-Kredite bieten Flexibilität und innovative Funktionen, wie z. B. die automatisierte Kreditvergabe und Flash-Kredite, erfordern jedoch ein gewisses Maß an technischem Verständnis und bergen das Risiko von Smart-Contract-Ausfällen und Marktvolatilität. CeFi-Plattformen ähneln traditionellen Finanzanwendungen, weshalb die Benutzerfreundlichkeit besser ist, bringen jedoch ein Gegenparteirisiko mit sich und sind auf das Vertrauen in den Dienstleister angewiesen. Lombardkredite, die von traditionellen Banken angeboten werden, weiten das Konzept auf Krypto aus, indem sie Anlegern ermöglichen, Kredite gegen digitale Vermögenswerte zu relativ günstigen Zinsen aufzunehmen – vorausgesetzt, die Sicherheiten behalten ihren Wert.
Die Entscheidung zwischen diesen verschiedenen Optionen hängt oft vom Anleger selbst ab: Wie vertraut ist er mit der Technologie? Wie hoch ist seine Risikotoleranz? Legt er Wert auf Dezentralisierung, Regulierung oder Bequemlichkeit? Im Zuge der Marktentwicklung könnten weitere hybride Modelle entstehen, und institutionelle Akteure dürften bei der Gestaltung der Kreditvergabe im Zusammenhang mit digitalen Vermögenswerten eine immer wichtigere Rolle spielen.

