Kann Bitcoin Gold als Wertaufbewahrungsmittel ablösen?
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Gold wird im globalen Finanzsystem schon viel länger als Anlageklasse behandelt als Bitcoin. Doch erfüllen beide mehrere Kriterien, um als Wertaufbewahrungsmittel angesehen zu werden: Knappheit, Teilbarkeit, Übertragbarkeit und Beständigkeit. In bestimmten Kreisen wird Bitcoin sogar als „digitales Gold“ bezeichnet – und zwar nicht nur in der Web3-Community.
In diesem Artikel sollen die beiden Vermögenswerte etwas genauer verglichen und deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht werden, um herauszufinden, ob Bitcoin Gold letztendlich als ultimatives Wertaufbewahrungsmittel ablösen könnte, und – was ebenso wichtig ist – welche preislichen Auswirkungen sich daraus ergeben könnten.
Was verbindet BTC mit Gold?
Seit König Krösus von Lydien (heute ein Teil der Türkei) 550 v. Chr. die ersten Goldmünzen prägte, spielt Gold eine wesentliche Rolle im globalen Finanzsystem. Selbst nachdem es durch Papiergeld ersetzt wurde, banden viele Länder den Wert ihrer Währung an eine bestimmte Menge Gold, und der Goldstandard wurde bis in die frühen 1970er Jahre beibehalten.
Gold hat mehrere Eigenschaften, die zu seinem Stellenwert als zuverlässiges Wertaufbewahrungsmittel (das seinen Wert über einen längeren Zeitraum beibehält) beigetragen haben:
Knappheit: Gold ist nur begrenzt verfügbar. Nach Angaben des US Geological Survey befinden sich jedoch noch 30 % in der Erde.
Teilbar: Goldbarren können in kleinere Stücke geteilt und als Tauschmittel verwendet werden, wenngleich dieser Vorgang in der Regel eine spezielle Ausrüstung erfordert. Es ist jedoch wichtig, die physischen Beschränkungen und die naturgemäße Komplexität zu beachten, die mit dem Erhalt sehr kleiner Goldanteile einhergehen, und dass dieser oft mit erheblichen Kosten verbunden ist.
Übertragbar: Mit einem Kilopreis von 62.214 Dollar (Stand: 19. September 2023) ist Gold ein bewährtes Wertübertragungsmittel. Auch hier gibt es offensichtliche physische Beschränkungen, insbesondere bei großen Mengen.
Beständig: Gold baut sich mit der Zeit nicht ab – eines der ältesten Artefakte der Welt stammt aus der Zeit um 4.500 v. Chr.
Bitcoin hingegen ist eine relativ neue Anlageklasse. 2008 schlug(en) der oder die Bitcoin-Gründer unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto in einem Whitepaper die Idee eines elektronischen Peer-to-Peer-Geldsystems vor. Die erste Transaktion erfolgte Anfang des darauffolgenden Jahres zwischen Nakamoto und Hal Finney, einem Mitarbeiter des Projekts, und im Oktober 2009 legte eine der Krypto-Exchanges der ersten Stunde namens New Liberty Standard einen Wechselkurs gegenüber dem Dollar fest (damals war 1 US-Dollar 2.300 BTC wert).
Bitcoin hat zwar nicht die Langlebigkeit von Gold, teilt mit diesem aber einige der Eigenschaften, die es zu einem Wertaufbewahrungsmittel machen, weshalb es auch den Beinamen „digitales Gold“ trägt.
Bitcoin ist knapp, weil Satoshi das Angebot auf 21 Millionen begrenzt hat. 19,49 Millionen (Stand: 19. September 2023) sind bereits im Umlauf. Die verbleibenden 1,6 Millionen werden jedoch erst in 120 Jahren ausgegeben, da sich die Prämien für das Mining – das Verifizieren von Transaktionen durch das Lösen mathematischer Aufgaben – alle vier Jahre halbieren.
Auch Bitcoin ist beständig. So lange die Blockchain existiert, die die Transaktionen aufzeichnet, so lange existiert auch Bitcoin. Die Uptime der Blockchain – ein Maß für die Zuverlässigkeit, das als Prozentsatz der Betriebszeit eines Systems ausgedrückt wird – liegt bei 99,98 %, und es gab seit 3844 Tagen keinen Ausfall mehr (Stand: 19. September 2023).
Ein entscheidender Vorteil der Blockchain-Technologie ist die Unveränderlichkeit ihrer Dateneinträge. Sobald ein Block von Transaktionen genehmigt wurde, ist es nahezu unmöglich, ihn zu ändern. Dazu wäre die Kontrolle über die Mehrheit der Mining-Leistung des Netzwerks erforderlich – ein sogenannter 51-Prozent-Angriff –, was schätzungsweise 1.165.892 Millionen Dollar pro Stunde kosten würde (Stand: 19. September 2023).
Und schließlich ist der Bitcoin tragbar und teilbar. Er kann in einer Hot-Wallet (mit dem Internet verbunden) oder einer Cold-Wallet (Offline-Hardwaregerät) gespeichert werden und die Transaktionen verlaufen weitgehend reibungslos. Seine kleinste Werteinheit – ein Satoshi – entspricht dem Hundertmillionstel eines Bitcoins.
Quellen: USGS.gov, buybitcoinworldwide.com
Könnte BTC Gold den Rang ablaufen?
Im Investmentbereich ist die Marktkapitalisierung eine gebräuchliche Kennzahl, um den Wert eines Assets auf dem freien Markt zu messen. Sie wird in der Regel auf ein Unternehmen angewandt, indem die Gesamtzahl der ausstehenden Aktien mit dem Preis einer einzelnen Aktie multipliziert wird. Das Konzept kann jedoch auch auf Rohstoffe und digitale Vermögenswerte angewendet werden.
Wie man vermuten würde, ist die Marktkapitalisierung von Gold viel größer als die von Bitcoin. Wie die kalkulierte monatliche Bewertung auf der nachstehenden Grafik zeigt, beläuft sich der Gesamtwert des oberirdischen Goldes auf 12,905 Billionen US-Dollar. Dem gegenüber stehen 529,5 Milliarden US-Dollar an Bitcoin im Umlauf (Stand: 19. September 2023).
Quelle: In Gold We Trust
Diese Grafik verdeutlicht nicht nur den großen Unterschied zwischen den beiden Marktkapitalisierungen, sondern auch das große Chancenpotenzial von Bitcoin.
Bitcoin weist nicht nur viele der Eigenschaften von Gold auf, sondern ist auf der Grundlage der obigen Analyse wohl auch ein effizienteres und effektiveres Wertaufbewahrungsmittel. Die Bewertungsschere könnte sich leicht schließen, wenn Bitcoin an Zugkraft gewinnt, was unmittelbar bevorzustehen scheint. Das liegt an klaren gesetzlichen Bestimmungen – wie der EU-Verordnung über Märkte für Kryptovermögenswerte – und der Annahme durch institutionelle Anleger, die von der besseren Zugänglichkeit durch börsengehandelte Produkte (ETPs) profitieren werden.
Goldman Sachs, einer der größten Akteure im Mainstream-Finanzwesen, unterstützt diese These. Wie Reuters berichtet, veröffentlichte der Analyst Zach Pandl Anfang 2022 einen Forschungsbericht, in dem er davon ausgeht, dass der Goldanteil am Markt für Wertaufbewahrungsmittel durch eine breitere Akzeptanz von Bitcoin zurückgehen wird.
„Bitcoin kann mehr als nur ein ‚Wertaufbewahrungsmittel‘ sein – und die Märkte für digitale Vermögenswerte sind viel größer als Bitcoin – aber wir denken, dass ein Vergleich der Marktkapitalisierung mit Gold dazu beitragen kann, plausible Ergebnisse für Bitcoin-Renditen festzulegen.“
Pandl skizzierte auch die Auswirkungen auf den Bitcoin-Preis: Er rechnete vor, dass ein Anteil von 50 % am Markt für Wertaufbewahrungsmittel den Preis (von damals 46.000 US-Dollar) auf 100.000 US-Dollar anheben würde.
Eine etwas genauere Betrachtung der Dynamik von Gold und Bitcoin
Bevor wir näher auf die Volatilität und die Korrelation eingehen, möchten wir uns kurz mit den Faktoren befassen, die den Preis dieser beiden Vermögenswerte bestimmen, wobei wir mit Gold beginnen.
Unsicherheit: In Zeiten politischer oder wirtschaftlicher Ungewissheit steigt der Goldpreis, weil die Anleger es als sichere Rücklage betrachten.
Inflation: Gold gilt traditionell als Absicherung gegen Inflation.
Zinssätze: Der Goldpreis fällt tendenziell, wenn die Zinssätze steigen, weil zinstragende Wertpapiere attraktiver werden.
Marktkräfte: Die Nachfrage nach Gold steigt zu bestimmten Zeiten des Jahres, wie z. B. während des indischen Diwali-Festes im Oktober.
Zentralbanken: Die Zentralbanken halten rund 20 % des oberirdischen Goldes, so dass der Preis durch ihre Handelstätigkeit schwanken kann.
Im Vergleich dazu wenden sich die Anleger in wirtschaftlich und geopolitisch unsicheren Zeiten zwar auch dem Bitcoin zu, doch wird dessen Preis als relativ neue Technologie von anderen Kriterien beeinflusst:
Akzeptanz: Die zunehmenden Netzwerkeffekte von Bitcoin treiben seinen Preis in die Höhe, insbesondere die Nachfrage von institutionellen Anlegern.
Marktkräfte: Das Angebot an neuen Bitcoins nimmt ab, da Mining schwieriger wird und die Knappheit zunimmt.
Regulierung: Unterstützende Vorschriften fördern die Akzeptanz, wenngleich strengere Vorschriften den gegenteiligen Effekt haben.
Technische Entwicklungen: Eine verbesserte Skalierbarkeit (z. B. Transaktionen pro Minute) und Sicherheit von Bitcoin erhöhen das Vertrauen und steigern folglich die Nachfrage.
Volatilität
Eines der Hauptargumente gegen die Verwendung von Bitcoin als Wertaufbewahrungsmittel ist seine Volatilität. Schließlich halten Anleger Gold, weil es seinen Wert im Laufe der Zeit beibehält.
Bitcoin hat in der Vergangenheit zahlreiche Kursschwankungen erlebt und ist vor nicht allzu langer Zeit, im Jahr 2022, um 64 % eingebrochen. Untersuchungen von Bloomberg zeigen, dass die Intraday-Volatilität von Bitcoin zwischen 2018 und 2021 durchschnittlich bei fast 5 % lag, bei Gold hingegen nur bei 1,6 %.
Gold ist jedoch nicht immun gegen Volatilität. So stieg die Volatilität von Gold zum Beispiel in den frühen 1980er-Jahren nach der Hyperinflation der späten 1970er-Jahre auf 90 %.
Davon abgesehen dürfte die Volatilität von Bitcoin mit zunehmender Reife als Anlageklasse abnehmen. Dieser Effekt ist mit dem Engagement institutioneller Anleger und dem Vormarsch des Krypto-Derivatemarktes bereits allmählich festzustellen.
Korrelation
Wenn Gold und Bitcoin beide als Wertaufbewahrungsmittel dienen und gewissen, sich überschneidenden Einflussfaktoren unterliegen, korrelieren ihre Preise dann miteinander?
Nicht unbedingt. Die folgende Grafik zeigt die Korrelation zwischen den beiden Anlageklassen, gemessen über rollierende Zeiträume von 60 Tagen. Trotz starker Schwankungen war in den letzten vier Jahren zu verschiedenen Zeitpunkten eine nahezu perfekte positive oder negative Korrelation festzustellen (eins = positive Korrelation, minus eins = negative Korrelation und null = keine Korrelation). Dies legt nahe, dass Bitcoin und Gold im selben Portfolio gehalten werden können.
Quelle: CoinJournal
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bitcoin trotz Nachholbedarfs in Bezug auf die Marktkapitalisierung das Potenzial besitzt, sein Versprechen als „digitales Gold“ schließlich doch noch zu erfüllen. Sein Design deutet in vielerlei Hinsicht darauf hin, dass Bitcoin als überlegenes Wertaufbewahrungsmittel dienen könnte.
Der Unterschied hinsichtlich der Marktkapitalisierung hat auch Auswirkungen auf den Preis von Bitcoin. Je stärker er als Wertaufbewahrungsmittel an Akzeptanz gewinnt, desto mehr wird sein Preis steigen.