
Altcoin-Projekte kaufen Bitcoin
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- Altcoins
Mehrere Altcoin-Protokolle haben in den letzten Monaten den Vorschlag gemacht, durch den Verkauf ihrer eigenen Projekt-Token Bitcoin zu kaufen. Oft steuert eine Stiftung die Entwicklung der Projekte von Altcoins, zu denen in der Regel auch eine Art Treasury gehört. Heutzutage enthalten diese Treasuries nicht selten große Bestände der eigenen Vermögenswerte und werden überwiegend durch Venture-Capital-Unternehmen und/oder Einnahmen aus einem verbundenen Produkt/Service finanziert.
Ironischerweise haben diese Stiftungen früher häufig Bitcoin-Kapital eingenommen und gehalten, indem sie ihre Projekt-Token über öffentliche Angebote auf Krypto-Plattformen herausgaben und tauschten. Aus einer wohlwollenden Perspektive betrachtet, war die Idee, per Crowdfunding ein Krypto-Venture zu finanzieren, den gesammelten Bitcoin für die Entwicklung zu nutzen und über den jeweiligen Token Kapitalrenditen für Anleger zu generieren. In Wirklichkeit jedoch scheiterte, abgesehen von einigen Ausnahmen, alles: Entweder, weil es sich um Betrug handelte, der in Zeiten, die stark an den digitalen „Wilden Westen“ erinnerte, gut verschleiert werden konnte, oder weil die meisten Start-ups scheitern, auch die mit guten Absichten, und besonders in einem sich noch etablierenden Sektor.
Das war die ICO-Ära von 2016 bis 2018. Im Rückblick hätten Projekte, die ihren gesamten eingenommenen BTC zur Entwicklung verwendet haben, selbst diejenigen, die überdauert haben, besser daran getan, BTC einfach nur zu halten. Doch da in Altcoin-Stiftungen nun erwägt wird, Bitcoin als strategische Reserve-Anlage in ihren Treasuries zu betrachten, könnte sich der Kreis schließen. Einige damit themenbezogene Fragen, mit denen wir uns im Folgenden beschäftigen werden, sind: Welche Projekte machen diesen Vorschlag? Welche Auswirkungen könnte das auf den Bitcoin-Markt haben? Warum sollte eine Stiftung das tun? Wird dieses Bitcoin-Kaufen einen Trend setzen? Legen wir los!
Cardano und Polkadot schlagen Bitcoin-Käufe vor
Während eines YouTube-Livestreams am 12. Juni schlug der Cardano-Mitgründer Charles Hoskinson vor, 100 Mio. USD des Projekt-Tokens (ADA) in eine Mischung aus Stablecoins und Bitcoin (oder an Bitcoin gekoppelte Stablecoins) umzuwandeln. Polkadot diskutiert einen ähnlichen Vorschlag eines unter Pseudonym agierenden Community-Mitglieds, 1–2 Mio. USD seines Tokens (DOT) umzuwandeln.
Bei beiden ist das Motiv eine Mischung daraus, Bitcoin-bezogene Finanzdienstleistungen innerhalb ihres jeweiligen Ökosystems ankurbeln und gleichzeitig die Diversifikationsvorteile von Bitcoin nutzen zu wollen, um ihre Treasuries eher wie ein Portfolio zu verwalten.
Protokoll-Treasuries halten eigene Token im Wert von insgesamt 100.000 BTC
Wir waren neugierig auf das mögliche Ausmaß dieser Projekt-Treasuries und haben daher deren Dollarwert sowohl insgesamt als auch spezifisch in Projekt-Token aggregiert. Letzteres sagt aus, wie viel ADA Cardano in der eigenen Treasury hält bzw. wie viel UNI Uniswap in der eigenen Treasury hält. Die Tabelle fasst diese Summen sowohl in Dollar- als auch in Bitcoin-Werten zusammen.
Sicherlich keine kleine Summe, aber die ist für sich genommen, mit Blick auf die Preisauswirkung, keine besonders spannende Art von Nachfrage. Zum Vergleich: Strategy (ehemals MicroStrategy) allein hat dieses Jahr 145.000 Bitcoin in seine Bilanz aufgenommen – ein Gesamtwert, der größer ist als alle Projekt-Treasuries zusammengenommen.
Natürlich erwarten wir nicht, dass alle Treasuries letztlich Allokationen vornehmen. Und von denen, die es tun, erwarten wir nicht, dass sie ihre Treasuries vollständig auf BTC setzen. Eine Allokation von 1–10 % wäre sinnvoller. In diesem Fall würden allein die Allokationen auf Basis der Projekt-Token zwischen 100 Mio. und 1 Mrd. USD ausmachen – äquivalent zu Strategys letztem Kauf am 16. Juni oder zu den durchschnittlichen Nettozuflüssen in Bitcoin-ETPs pro Woche im Jahr 2025. Sollten sich diese Allokationen auf 1–10 % der gesamten Treasury-Größe beziehen, würde sich der Gesamtbetrag leicht auf 130 Mio. bis 1,3 Mrd. USD erhöhen.
Wir wollen diese Idee nicht kleinreden, denn wir ermutigen diese Projekte, die Aufnahme von Bitcoin als Treasury-Vermögenswert in Betracht zu ziehen. Aber vom Standpunkt eines Bitcoin-Anlegers aus betrachtet wären die Marktauswirkungen dieses Trends nicht sehr beeindruckend. Es ist eine geringe Auswirkung, die nicht als dieselbe Art von potenziellem Nachfragetreiber angesehen werden sollte, wie beispielsweise die Verbreitung in der Unternehmensfinanzierung oder professionelle Investmentgemeinschaften.
Warum sollten sie Bitcoin kaufen?
Schwache Performance und die Vorschriften von „Bitcoin-Treasury-Unternehmen“
Diese Vorschläge kommen zu einem Zeitpunkt, an dem immer mehr börsennotierte Unternehmen, insbesondere SPACs, gezielt in traditionelle Capital Markets einsteigen, um Bitcoin zu kaufen. Metaplanet, The Smarter Web Company und 21 Capital sind aktuelle Beispiele. Diese Firmen kopieren die Formel von Strategy und positionieren sich selbst als Bitcoin-Treasury-Unternehmen, was offenbar bei manchen Anlegern gut ankommt. Altcoin-Protokolle könnten sich hiervon inspirieren lassen, besonders da die Aktienkurse dieser Firmen steigen und klassische Narrative rund um die Ökonomie von Token-Nützlichkeit an Bedeutung verlieren.
Außerdem stammt die kleine Anzahl an Vorschlägen von Projekten, die seit über fünf Jahren existieren und deren jeweilige Token verglichen mit Bitcoin schlechter abgeschnitten haben. Da sich die Aussichten für die Bitcoin-Akzeptanz durch institutionelle Flüsse, regulatorische Fortschritte und eine stetige Integration in das traditionelle Finanzwesen verbessern, stellt sich die Frage: Warum weiterhin volatile, weniger liquide Token halten, wenn man in den Vermögenswert diversifizieren kann, den die Märkte aktiv übernehmen?
Werden weitere Altcoin-Stiftungen Bitcoin kaufen?
Wahrscheinlich nicht. Ohne breite Community-Abstimmung würden sie heftigen Gegenwind riskieren, den die Anleger möglicherweise als Eingeständnis des Projektteams verstehen könnten, dass Bitcoin eine leistungsfähigere Investition als der Token des eigenen Projekts sei. Und warum sollten die Anleger in diesem Fall dann nicht einfach den Vermögenswert mit besserer Performance und weniger Risiko kaufen? Alternativ, falls eine Allokation einen öffentlichen Abstimmungsprozess bestehen muss, ergeben sich koordinative und kommunikative Schwierigkeiten für die Token-Community, eine breite Einigung zu erzielen und die Allokation dann auch umzusetzen.
Ganz zu schweigen davon, dass Anatoly Yakovenko von Solana Hoskinson auf X umgehend bei der Thematik infrage stellte, warum Protokolle anstatt ihrer eigenen Token oder US-Dollar Bitcoin halten sollten.
Nichtsdestotrotz gehen wir davon aus, dass Anleger nach wie vor der Überzeugung sind, dass Altcoins Bitcoin übertreffen können – ungeachtet sowohl historischer Vorfälle als auch zukünftiger Wahrscheinlichkeit. Darüber hinaus ist die Umsetzung dieser Entscheidung nicht nur eine Frage der optimalen Portfoliokonstruktion, sondern auch eine soziale Angelegenheit für jedes einzelne Projekt.
Um es deutlich zu machen: Es ist nicht wie bei Terra Luna
Das letzte große Experiment mit in Protokollen gehaltenem Bitcoin, das durch die Schlagzeilen ging, war der gescheiterte Kampf um UST (Terra USD) durch die Luna Foundation Guard im Jahr 2022. Der Fonds entsorgte während des Zusammenbruchs 80.000 BTC, was den Bitcoin-Preis mit nach unten zog. Die heutigen Vorschläge haben mit solchen Aktivitäten überhaupt nichts zu tun: Bei diesen werden Bitcoins als Investition und nicht als Notfallreserve zur Absicherung eines Stablecoins gehalten. Ziel ist es, eine wachsende Treasury zu verwalten – eher vergleichbar mit einer Unternehmensstrategie als mit einer Bankreserve. Angesichts der Aufmerksamkeit, die der Zusammenbruch von Terra Luna auf sich zog, hielten wir diese Unterscheidung für notwendig.
Abschließender Gedanke
Ob diese Vorschläge tatsächlich eine echte Veränderung im Treasury-Management darstellen oder nur eine Nachrichtenmeldung im Bull Market sind, bleibt abzuwarten. Dennoch ist es aufschlussreich, dass sich Krypto-Projekte, die ursprünglich darauf ausgelegt waren, sich von Bitcoin zu distanzieren, nun möglicherweise wieder auf ihn zubewegen. Nicht, weil sie plötzlich an das Bitcoin-Ethos glauben, sondern weil Bitcoin liquide, vertrauenswürdig und zunehmend marktbewährt ist. Zumindest unterstreicht dieser Trend eine harte Wahrheit für viele Altcoin-Projekte: Tokenomics und echte Akzeptanz sind sehr schwer zu erreichen, und Bitcoin ist – mit großem Abstand – der am weitesten entwickelte Krypto-Vermögenswert.
